Wo bleibt der zweite deutsche Fantasy Hype?
Warum gibt es so wenig deutsche Fantasyautoren und warum gab es die überhaupt ein mal? Warum konnte Herr der Ringe einen Fantasy Hype auslösen aber Game of Thrones nicht? Eine Analyse mit düsterem Blick auf die Zukunft.
Die Geburt des ersten Fantasy Hypes
Als Herr der Ringe 2001 in die Kinos kam, löste dies einen gewaltigen Fantasy Boom aus und die Leute wollten mehr. Hollywood hatte sofort Blut geleckt und in der Hoffnung „den neuen“ Herr der Ringe zu finden, verfilmte man alles was man in die Finger bekam. Das Ergebnis war ernüchternd, oft fehlte es den Filmen am Budget und an die Buchvorlagen hielt man sich auch nur lose. Persönlicher Tiefpunkt war die Verfilmung von Eragon (2006) und und die geplanten Fortsetzungen zu Der goldene Kompass (2007) die niemals kommen sollten. Positiv herausstechen konnte als einziger die Verfilmung von Die Chroniken von Narnia (2005).
Melkung des Hypes mit Neuauflagen
Doch jetzt, da bekannt war, dass es einen Markt für Fantasy gabt, wollten sich die Buchverlage auch ihren Teil vom Kuchen abschneiden und veröffentlicht ihrerseits alles was sich als „neuen“ Herr der Ringe vermarkten ließ. Das Problem: All die großen Fantasy Klassiker hatte man schon vor Jahren verlegt, bevor der Fantasy Boom ausgelöst wurde. Die vorläufige Lösung: Neuauflagen.
2003
- Das Geheimnis der Großen Schwerter (deutsche Ausgabe erstmals 1991)
- Herr der Ringe (deutsche Ausgabe erstmals 1969)
- Das Schwert der Wahrheit (deutsche Ausgabe erstmals 1995)
2004
- Das Lied von Eis und Feuer (deutsche Ausgabe erstmals 1997)
- Die unendliche Geschichte (Originalausgabe erstmal 1979)
- Das Rad der Zeit (deutsche Ausgabe erstmals 1993)
2005
- Die Chroniken von Narnia (deutsche Ausgabe erstmals 1983)
Quelle: http://www.phantastik-couch.de/
Andere Autoren, gleiche Verpackung
Trotzdem brauchte man neuen Stoff und es passierte aus heutigem Blickwinkel etwas seltsames: Deutsche Fantasy Autoren wurden verlegt. Ich weiß nicht wie es dazu kam, aber ich vermute mal dass Piper die Erfolgschance des Fantasyhypes gesehen und genutzt hat. 2003, also noch im selben Jahr als Die Rückkehr des Königs in die Kinos kam, wurde Die Zwerge von Markus Heitz veröffentlicht. Es war ein voller Erfolg, deutsche Fantasy funktionierte also doch. Kein Wunder dass die anderen Verlage nachzogen und in Anlehnung an Die Zwerge ihre Bücher veröffentlichten.
Titel, Cover und Inhalt, sie waren bei allen Büchern zu verwechseln ähnlich und man erkannte sofort die Strategie dahinter: Man wollte die Tolkien und Heitz Fans abgreifen.
Die Bücher waren meist aus der Sicht einer Mittelerde-Rasse geschrieben und dementsprechend lauteten auch die Titel in derselben Schriftart und Farbe: Die Zwerge, Die Orks, Die Elfen, Die Trolle, … Auf dem ersten Blick könnte man meinen sie wären alle vom selben Autor.
Die Entstehung des zweiten Booms?
Doch das ging nicht lange gut und schnell wurde die deutschen Autoren von englischsprachigen aus den Bücherregalen verdrängt. Aber dann kam im Jahr 2011 Game of Thrones und ein Jahr später der erste Teil der Hobbit Film-Triologie. Perfekte Voraussetzungen für einen zweiten deutschen Fantasy Hype. Könnte man meinen.
Eine neue Marketingstrategie
Zwar gab es wieder Neuauflagen, aber diese beschränkten sich anfangs nur auf das Lied von Eis und Feuer und auf die Bücher von Tolkien. Erst Jahre später schienen die Verlage realisiert zu haben dass nun „fantasielose Fantasy“ beliebt geworden ist, da passten die Cover mit muskulösen Orks mit Äxten oder Magier mit Feuerbällen nicht mehr. Die Cover wurden also minimalisiert, in meinen Augen langweilig gemacht. Die Cover könnten nun genauso gut zu historischen Mittelalterromanen gehören. Eigentlich lustig dass man jetzt nicht mehr mit Herr der Ringe in Verbindung gebracht werden will, hat man anfangs doch alles versucht um das zu erreichen. Vermutlich wird diese Strategie nicht funktionieren, denn ich muss an etwas denken was George R. R. Martin einmal gesagt hat:
They’ve re-packaged the whole series and now the old books have been re-issued with matching, understated cover art. There’s a lot of evidence that my books seem to be the fantasy series for people who don’t like fantasy. And my publishers think there would be more of them if we could reach them, so they’ve gone with this understated cover art, precisely to get those people who say, „Well, I don’t want to be seen carrying this thing with horses and knights and castles and dragons on the cover.“ It’s annoyed some of the original fans. I get letters saying their sets don’t match anymore. And, also from people who loved the old art. – George R.R. Martion, AbeBooks.com Interview
Kurz gesagt hat man rausgefunden, dass viele Leser die Bücher von GRRM mögen, die eigentlich kein Fantasy mögen. Deshalb hat man die alten Cover durch subtilere ausgetauscht, damit man die potentiellen Leser nicht verschreckt. Nur kann ich diese Taktik bei anderen Fantasyserien nicht verstehen, immerhin ist das Fantastische in Das Lied von Eis und Feuer auch subtil. Die Zwerge oder Der Drachenbeinthron hingegen sind genau das, was viele an Fantasy nicht mögen. Von daher kommen mir die neuen Cover fasst schon als Etikettenschwindel vor.
Game of Throns bzw. das Lied von Eis und Feuer hatte in der Fantasyszene natürlich nicht nur Einfluss auf die Covergestaltung, sondern auch auf den Inhalt der Geschichten. Fantasybücher mussten jetzt von moralisch grauen Charakteren in düsteren, brutalen und realistischen Settings mit unterschwelliger Magie handeln. Die Antithese zu Tolkiens Herr der Ringe.
Wo bleibt der zweite deutsche Fantasy Boom?
Die folgende Liste enthält alle deutschen High Fantasy Bücher (die ich finden konnte) seit 2001 bis 2017. Ausgenommen sind Neuauflagen und Bücher zu Rollenspieluniversen wie z.B. Das schwarze Auge oder auch Kurzgeschichtensammlungen.
2001
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Kai Meyer: Die Unsterbliche
2002
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Markus Heitz: Die Dunkle Zeit 1 – Schatten über Ulldart
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Markus Heitz: Die Dunkle Zeit 2 – Der Orden der Schwerter
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Markus Heitz: Die Dunkle Zeit 3 – Das Zeichen des dunklen Gottes
2003
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Markus Heitz: Die Dunkle Zeit 4 – Unter den Augen Tzulans
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Markus Heitz: Die Zwerge
2004
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Markus Heitz: Der Krieg der Zwerge
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Bernhard Hennen: Die Elfen
2005
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Markus Heitz: Die Rache der Zwerg
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Markus Heitz: Die Dunkle Zeit 5 – Die Magie des Herrschers
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Markus Heitz: Die Dunkle Zeit 6 – Die Quellen des Bösen
2006
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Christoph Hardebusch: Die Trolle
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Markus Heitz: Zeit des Neuen 1 – Trügerischer Friede
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Bernhard Hennen: Elfenlicht
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Bernhard Hennen: Elfenwinter
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Michael Peinkofer: Die Rückkehr der Orks
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Richard Schwartz: Das Geheimnis von Askir – Das erste Horn
2007
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Michael Peinkofer: Der Schwur der Orks
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Michael Peinkofer: Unter dem Erlmond
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Richard Schwartz: Das Geheimnis von Askir – Die zweite Legion
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Richard Schwartz: Das Geheimnis von Askir – Das Auge der Wüste
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Markus Heitz: Zeit des Neuen 3 – Fatales Vermächtnis
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Christoph Hardebusch: Die Schlacht der Trolle
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Bernhard Hennen: Elfenritter – Die Ordensburg
2008
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Michael Peinkofer: Das Gesetz der Orks
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Michael Peinkofer: Die Flamme der Sylfen
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Richard Schwartz: Das Geheimnis von Askir –Der Herr der Puppen
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Markus Heitz: Das Schicksal der Zwerge
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Bernhard Hennen: Elfenlied
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Bernhard Hennen: Elbenmark
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Bernhard Hennen: Das Fjordland
2009
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Frank Rehfelf: Zwergenfluch
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Frank Rehfelf:Zwergenbann
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Michael Peinkofer: Die Zauberer
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Richard Schwartz: Die Feuerinseln
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Markus Heitz: Gerechter Zorn
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Bernhard Hennen: Elfenkönigin
2010
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Michael Peinkofer: Die erste Schlacht
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Michael Peinkofer: Das dunkle Feuer
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Richard Schwartz: Der Kronrat
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Frank Rehfeld: Zwergenblut
2011
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Frank Rehfelf: Elbengift
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Frank Rehfelf: Elbensturm
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Richard Schwartz: Die Rose von Ilian
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Markus Heitz: Vernichtender Hass
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Bernhard Hennen: Drachenelfen
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Wolfgang Hohlbein: Infinity: Der Turm
2012
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Kai Meyer: Die Gebannte
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Richard Schwartz: Die Weiße Flamme
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Frank Rehfelf: Elbentod
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Richard Schwartz: Das blutige Land
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T.S. Orgel: Orks vs. Zwerge
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Michael Peinkofer: Splitterwelten
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Markus Heitz: Dunkle Pfade
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Bernhard Hennen: Drachenelfen
2013
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Richard Schwartz: Die Festung der Titanen
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T.S. Orgel: Fluch der Dunkelheit – Orks vs. Zwerge (2)
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Michael Peinkofer: Die Herrschaft der Orks
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Michael Peinkofer: Die Könige – Orknacht
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Robert Corvus: Feind
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Robert Corvus: Knecht
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Bernhard Hennen: Die gefesselte Göttin
2014
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T.S. Orgel: Orks vs. Zwerge – Der Schatz der Ahnen
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Michael Peinkofer: Kampf der Könige
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Michael Peinkofer: Gryphony – Im Bann des Greifen
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Robert Corvus: Herr
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Robert Corvus: Schattenkult
2015
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Richard Schwartz: Die Macht der Alten
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Richard Schwartz: Der Wanderer
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Markus Heitz: Der Triumph der Zwerge
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Robert Corvus: Grauwacht
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Robert Corvus: Drachenmahr
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Bernhard Hennen: Die letzten Eiskrieger
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T.S. Orgel: Die Blausteinkriege I – Das Erbe von Berun
2016
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Markus Heitz: Wédora – Staub und Blut
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Bernhard Hennen und Robert Corvus: Nordwärts
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Bernhard Hennen und Robert Corvus: Himmelssturm
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Bernhard Hennen und Robert Corvus: Die Wölfin
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Robert Corvus: Rotes Gold
2017
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Bernhard Hennen und Robert Corvus: Silberflamme
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Bernhard Hennen: Himmel in Flammen
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Michael Peinkofer: Tote Helden
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Robert Corvus: Söldnergold
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Robert Corvus: Weißes Gold

Hier sieht man wieviele deutsche Fantasy Autoren innerhalb eines Jahres veröffentlicht wurden
Man kann sehen, dass anfangs Markus Heitz den deutschen Fantasymarkt dominiert hat, erst 2004 bekam er Konkurrenz durch Bernhard Hennen. 2006 kam dann der Höhepunkt mit 5 verschiedenen Autoren die gleichzeitig verlegt wurden. Diese Anzahl wurde solange gehalten bis sie dann 2010 etwas sank. 2011 erschien Game of Thrones und die Anzahl stieg wieder, bis sie dann 2012 ihren Rekordwert erreichte. Man könnte von einem Hype sprechen. Doch im Gegensatz zum Herr der Ringe Hype im Jahr 2006, konnte man den Rekordwert nicht über Jahre halten. Stattdessen sank er unter dem Durchschnitt mit einem deutlicher Abwärtstrend.
Wirkliche neue Autoren aus letzter Zeit gab es nur zwei: T.S. Orgel der 2012 debütierte und Robert Corvus der 2013 zum ersten mal verlegt wurde. All die anderen Autoren in der Statistik entstanden noch durch den Herr der Ringe Hype von vor 10 Jahren.

Hier sieht man wieviele deutsche Fantasy Bücher innerhalb eines Jahres veröffentlicht wurden
Schaut man sich an, wieviele Bücher von deutschen Fantasy Autoren veröffentlicht wurden kommt man zu einem ähnlichem Ergebnis.
Aber warum kommen keine neuen Autoren hinzu?

Von links nach rechts: George R. R. Martin, Brandon Sanderson, Kevin J. Anderson, Christopher Paolini, Peter Orullian, Patrick Rothfuss, and K.J. Taylor – Sandiego Comic Con, 2011
Zum einen können Verlage ihr Verlustrisiko mit etablierten Lizenzen senken, denn wenn etwas in den USA oder England Erfolg hat, dann auch zu 90% in Deutschland. Warum sollte man auch ein Risiko mit einem neuen Autoren eingehen wenn es bereits kaufwillige Fans von etablierten Autoren gibt? Es gibt mittlerweile soviele englischsprachige Fantasyautoren, man ist gar nicht mehr auf deutsche angewiesen wie es vermutlich zu Beginn des ersten Fantasy Hypes war.
Die andere und unschöne Möglichkeit wäre natürlich noch, dass deutsche Fantasy einfach schlechter ist. Vielleicht bekommen die Verlage ja nur Mist zugesendet, wer weiß. Wenn man bedenkt, dass laut dieser Studie das Durchschnittsalter von deutschen Fantasy Autoren bei über 40 Jahren liegt, kann es gut sein, dass die meisten Autoren noch ihre Geschichten an Herr der Ringe anlehnen weil sie damit aufgewachsen und geprägt wurden. Doch Tolkienverschnitte will keiner mehr lesen.
Zudem herrscht in den USA eine viel größere „Schreibratgeberszene“ als in Deutschland. Das fängt schon bei den Schreibkursen in den Colleges an und hört bei Verlagseditoren mit eigenen YouTube Kanälen und Blogs auf.
Fazit
Für angehende deutsche High Fantasy Autoren wird es wohl immer schwieriger werden von großen Verlagen verlegt zu werden. Die einzige Möglichkeit bleibt dann wohl Selfpublishing.